Vorsorgeratgeber

Pflegefall als Vermögenskiller

Arm werden durch Pflege, das kann Ihnen nicht passieren? Sind Sie sich da ganz sicher? Der durchschnittliche Rentner hatte 2022 gerade einmal 1.543 Euro monatlich zur Verfügung.

Bereits im Vorjahr lagen die durchschnittlichen Ausgaben eines Singlehaushalts für Wohnen, Essen, Kleidung etc. mit 1.658 Euro darüber. Die relativ hohe Inflation der letzten Jahre dürfte hier über die steigenden Preise noch für ein deutlicheres Missverhältnis sorgen. Nicht wenige setzen bereits ohne eine Pflegesituation ihre Ersparnisse ein, um über die Runden zu kommen. Tritt dann diese Belastung hinzu, sind selbst größere Ersparnisse schnell aufgebraucht.

Beispiel: Ein Ehepaar bekommt gemeinsam eine Rente von 2.960 Euro monatlich. Die durchschnittlichen Ausgaben eines Paares ohne Kinder lagen laut dem Bundesamt für Statistik 2021 bei 3.117 Euro. Die offizielle Inflationsrate lag im Jahr 2022 bei 6,9 Prozent. Legt man dies zugrunde, dürften die Konsumausgaben auf 3.332 Euro gestiegen sein. Das heißt, bereits hier musste das Paar für das ganz normale Leben auf Ersparnisse zurückgreifen, falls nicht zusätzlich privat vorgesorgt wurde.

Braucht jetzt einer der beiden intensive Betreuung oder muss sogar ins Pflegeheim, kämen hier nochmal erhebliche Eigenanteilskosten auf das Ehepaar zu. Wie die Beispiele aus dem vorigen Kapitel zeigen, kommen hier schnell mehrere zehntausend Euro über die Jahre zusammen. Wie lange reicht Ihr Erspartes, wenn Sie einen Betrag von 25.000 Euro pro Jahr zum Beispiel zusätzlich verbrauchen? Ist dann noch genug da, wenn auch der übrig gebliebene Partner Hilfe braucht? Wenn man von einer durchschnittlichen Pflegedauer für beide von acht Jahren ausgeht, ist selbst ein größeres Vermögen schnell aufgebraucht.

Dazu kommen die überall steigenden Kosten. Laut einer Auswertung des Verbandes der Ersatzkassen e. V. lag der durchschnittliche Eigenanteil bei einer vollstationären Betreuung in den ersten zwölf Monaten zum 1.1.23 bei 2.411 Euro. Allein die Extrakosten für die Pflege summieren sich so im Jahr auf 28.932 Euro. Da die Inflation und die Mangellage im pflegerischen Bereich weiterhin große Themen sind, spricht sehr viel dafür, dass sich der Trend steigender Kosten fortsetzen dürfte. 

Es kann 250.000 Euro und mehr kosten, wenn beide Ehepartner Pflege brauchen. 

Was bedeutet das gerade bei Ehepaaren? Bevor der Staat für die Kosten der Pflege aufkommt, geht es an das private Vermögen. Bis auf das sogenannte Schonvermögen muss erst alles verbraucht sein. Wer kurz gesagt mehr als 10.000 Euro auf dem Sparbuch hat, eine nicht mehr selbst oder durch den Ehepartner genutzte angemessene Immobilie besitzt oder sonstige Einkünfte hat, muss zahlen. Ist beim Gepflegten nichts mehr zu holen, muss der Ehepartner einspringen. Oft muss dann selbst die eigentlich geschonte gemeinsame Immobilie verkauft werden. Durch die zusätzlichen Pflegekosten fehlt schlicht das Geld für den Erhalt des geliebten Eigenheims. Von Aufwendungen für energetische Modernisierung oder Schönheitsreparaturen ganz zu schweigen. Muss dann ein solches Objekt auch noch unter Zeitdruck verkauft werden, ist das nicht die beste Voraussetzung, um hohe Preise zu erzielen. Letzten Endes können so durch eine Pflegesituation selbst größere angesparte Vermögenswerte vernichtet werden.

Das kann sich dann auch noch in die nächste Generation fortsetzen: Selbst auf die Kinder kann bei den Pflegekosten zurückgegriffen werden, allerdings nur wenn diese mehr als 100.000 Euro zu versteuerndes Einkommen haben. Gut zu wissen: Bei der Ermittlung des Einkommens dürfen zum Beispiel Beträge für die eigene Altersvorsorge, Unterhaltszahlungen oder Unterstützung der Kinder im Studium abgezogen werden.

Doch das ist nicht der einzige Fall, in dem Kinder zumindest indirekt an den Kosten der Pflege der Eltern beteiligt werden. Je nach Situation kann nämlich der familiäre Immobilienbesitz gefährdet sein. 

 

Fall 1

Die Eltern wohnen in ihrer Immobilie und haben für Liquidität während der Pflegezeit vorgesorgt. Keine Einmischung des Staates.

Fall 2

Eltern haben die Immobilie an die Kinder vor weniger als zehn Jahren übertragen oder verschenkt: Hier kann eine Rückforderung gemäß BGB erfolgen. Die Pflegekosten müssen dann zum Beispiel durch einen Verkauf oder die Eintragung einer Hypothek bestritten werden. 

Das Pflegerisiko kann Immobilien angreifen. 

Fall 3

Die Immobilie ist bereits länger übertragen, aber die Eltern haben sich einen Nießbrauch vorbehalten. Nach dem Umzug ins Pflegeheim stehen ihnen die Einnahmen einer Vermietung zu. Diese werden dann für die Pflegekosten herangezogen. 

Fall 4

Das Vermögen der Eltern ist bis auf die eigene Immobilie aufgebraucht. Zur Pflegekostendeckung muss eine Zwangshypothek auf die Immobilie aufgenommen werden, die mit Tod des Zweitversterbenden von den Erben, in der Regel den Kindern, zu begleichen ist.

Fall 5

Es ist kein Vermögen mehr vorhanden, auch keine Immobilie, und die Kinder werden wegen Unterschreiten der Einkommensgrenze nicht herangezogen. Dann werden die Kosten zwar vom Staat übernommen, aber nur für das preisgünstigste Pflegeheim. Das kann dann zum Beispiel bei Paaren auch dazu führen, dass sie getrennt werden. 

Gut zu wissen: Das Einkommen und Vermögen eines Partners in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft kann ebenfalls für Pflegekosten unter bestimmten Bedingungen herangezogen werden. Nämlich in den Fällen, in denen sich die Lebenspartnerschaft verfestigt hat und somit eheähnlich ist. Ob das so ist, muss im Einzelfall bewertet werden. Ausschlaggebend ist, dass eine besonders enge Gemeinschaft vorliegt. Eine reine Haushaltsgemeinschaft oder Wohngemeinschaft fällt nicht darunter. Aber eine enge, sogenannte „eheähnliche Lebensgemeinschaft“ kann selbst dann fortbestehen, wenn ein Partner ins Heim zieht. Das bedeutet, dass in manchen Fällen der nichtverheiratete Partner für die Zahlung der Pflegebedürftigkeit herangezogen wird. Immerhin: Hat er nachweislich Pflege geleistet, so steht ihm gemäß Erbschaftsteuergesetz ein zusätzlicher Freibetrag bei der Erbschaftsteuer von 20.000 Euro zu. Das kann bei dem sonst geltenden niedrigen Freibetrag für nicht Verheiratete schnell zu einer Steuerersparnis von 6.000 Euro führen. Grundsätzlich ändert sich sonst nichts am Status beim Erben. Obwohl man für die Pflege aufkommt, bleibt man bei der gesetzlichen Erbfolge oder der Regelung für eine Hinterbliebenenversorgung aus der Rente außen vor. 

Kein Trauschein bedeutet nicht unbedingt Schutz vor Pflegekosten. 

Insgesamt bleibt festzuhalten: Eine Pflegesituation kann selbst größere Vermögen massiv bedrohen, selbstgenutzte Immobilien sind kein Fels in der Brandung. Wer das vermeiden möchte, muss langfristig vorsorgen, um die finanziellen Aussichten der ganzen Familie zu verbessern. Sonst können gerade für den noch fitten Partner eines Pflegebedürftigen die immer weiter steigenden Kosten schnell zum Problem werden. Dauert eine Pflegesituation mehrere Jahre, kommen schnell sechsstellige Beträge zusammen. Gerade Frauen müssen sich dann aufgrund ihrer höheren Lebenserwartung oft die Frage stellen: Reicht das übrigbleibende Vermögen noch für die eigene Pflege, die mehr als nur die Standardbedürfnisse abdeckt?